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Die Kunst der Pause – wie man Charisma lernen kann

Expertentipps für den charismatischen Auftritt

Martin Luther King hatte es, Prinzessin Diana auch: Charisma. Die alten Griechen gingen davon aus, dass Charisma ein Gottesgeschenk sei. Aber man kann den charismatischen Auftritt auch lernen! Wie das geht, darüber hat mbw-Redakteurin Janina Singer mit Moderator und Medientrainer Michael Harles gesprochen. Er gibt seit 25 Jahren als Coach sein Wissen rund um eine erfolgreiche Medienpräsenz weiter.

Janina Singer: Charisma-Building ist ein wichtiger Punkt in deinen Medientrainings – was verstehst du unter Charisma?

Michael Harles: Charisma ist ursprünglich ein religiöser Begriff. Es ist ein Gottesgeschenk, das Menschen bekommen. Zumindest besonders begnadete, besonders erfolgreiche, glückliche Menschen. Das ist aber nur eine Seite des Charismas, wie wir es heute verstehen. Die historische, die religiöse.

Du hast vorhin von einem Gottesgeschenk gesprochen. Tatsächlich kommt der Begriff Charisma aus dem Griechischen und heißt so etwas wie Gabe oder Geschenk. Aber ist das nur eine angeborene Gabe oder kann man Charisma auch lernen?

Ich unterscheide drei Elemente. Das Erste ist das Charisma des Seins. Das wäre so ein Göttergeschenk. Ein Mensch kommt auf die Welt und hat Glück.

Das Zweite ist das Charisma des Habens. Es entsteht, wenn jemand ein Amt bekleidet. Dann überträgt sich das Charisma des Amtes auch auf den Menschen. Ein König zum Beispiel. Der hat automatisch Charisma, weil er König ist. Oder ein Bundespräsident.

Und die dritte Form, über die sollten wir reden! Das ist das Charisma des Handelns! Das heißt, ich kann selbst sehr viel dafür tun, dass ich Charisma entwickle. Das hat zu tun mit meiner Persönlichkeit, aber auch mit meiner Art des Auftretens, mit meiner Präsenz, mit der ich anderen Menschen gegenübertrete. Und das kann man wirklich trainieren.

Also, auch wenn ich nicht Königin bin oder Bundeskanzlerin, kann ich trotzdem charismatisch werden?

Natürlich. Jeder Mensch kann charismatisch werden, wenn der innere und der äußere Eindruck übereinstimmen. Da gibt es viele Dinge, die wir durchs Handeln tun können.

Das interessiert mich natürlich, denn wir wollen alle gerne charismatisch sein. Wie gehst du denn vor in deinen Trainings? Wie kann ich das lernen?

Fangen wir doch mal an mit dem, was wir hören. Ich habe beim Bayerischen Rundfunk als Sprecher begonnen. Und bevor ich dahin durfte, wurden wir ausgebildet. Und zwar nicht drei Wochen, sondern ein Jahr lang. Jede Woche Training, Training, Training. Wie spreche ich so, dass ich andere Menschen erreiche und berühre?

Und da gehört sehr viel dazu: Stimmlage, Tonhöhe und ganz wichtig: Pausen! Sie sind vermutlich das stärkste dramaturgische Moment beim Sprechen.

Aber auch das Schwierigste!

Ja, das Schwierigste. Denn wir sind gewohnt, immer zu reden. Permanent wird kommuniziert. Die Pause zu machen und die Pause auszuhalten, das ist die große Kunst. Und eine Win-win-Situation: Denn, wenn ich eine Pause mache, habe ich auch die Möglichkeit, nachzudenken. Und die andere Seite, also du Janina, bist gefesselt.

Ein anderes Geheimnis ist, dass wir am Ende eines Satzes die Stimme absenken sollen. Denn wenn ich das nicht tue, werden meine Botschaften irrelevant. Ich gebe ein Beispiel: Wie stellt sich der berühmteste Geheimagent ihrer Majestät vor?

Er sagt: Bond... Pause... James Bond

Ja, und er senkt am Ende die Stimme ab. Wenn man große Politiker reden hört, lassen sie die Stimme am Ende abfallen. Beispielsweise John F. Kennedy bei seiner berühmten Berliner Rede: „Ich bin ein Berliner“ – die Stimme fällt am Ende ab wie ein Anker. Und mit diesem Anker bleibe ich unmittelbar im Gehirn.

Wenn ich so lerne, zu sprechen, dann wird es automatisch bedeutend. Und das hat mit Charisma zu tun. Charismatiker sprechen bedeutend.

Gerade Pausen zu machen, setzt aber einen gewissen Mut voraus, oder? Man muss darauf vertrauen, dass die Menschen einem weiter zuhören bzw. signalisieren, dass man noch nicht fertig ist, sondern eben nur eine Pause macht. Wie macht man das?

Ganz einfach: indem ich weiß, was ich will. Es gibt einen berühmten englischen Soziologen, Simon Sinek, der sagt: „tell me why“. Warum sollst du mir zuhören? Wenn ich das weiß, dann kann ich gar nicht verloren gehen in der Sprache. Ich weiß, was ich sagen will. Ich weiß meine Botschaft. Und in dem Moment ist eine Pause spannend und nicht langweilig. Also erstmal das Innere klären und sich vorbereiten. Dann kann ich auch Pausen machen.

Aber Sprache ist nur ein Teil. Dann geht es auch noch um das Auftreten.

Körpersprache ist ein wichtiger Punkt, oder?

Absolut. Wenn ich mit hängenden Schultern auf eine Bühne gehe und eine Rede halte, wird man mir kaum folgen. Das heißt, die Körperhaltung, die Präsenz auf der Bühne, das ist ganz entscheidend. Aber Haltung und Präsenz heißt nicht nur, gerade Schultern zu haben, sondern einen inneren Kompass: Was will ich hier, wieso gehe ich auf die Bühne?

Man sieht oft im Fernsehen, dass Politiker, wenn sie vor einem Interview vorgestellt werden, einmal durchs Bild laufen. Das nennt man Anteasern. Dabei sieht man sofort, dass die mit leerem Blick durch das Bild gehen. Sie haben nicht im Kopf, wohin sie wollen. Und das ist das große Problem: In dem Moment glaube ich der Person schon nicht mehr.

Du musst also eine Vorstellung in deinem Kopf haben. Wo will ich dahin? Was will ich den Leuten sagen? Und in dem Moment habe ich eine große Chance, dass ich auch charismatisch wirken kann.

Sprache und Körperhaltung sind Dinge, die man lernen kann. Aber muss Charisma nicht auch von innen herauskommen? Gehört da so etwas wie innere Stärke dazu oder auch Empathie?

Innere Stärke gehört auf jeden Fall dazu. Wenn du nicht weißt, was du vermitteln willst, wohin du willst, kannst du kein Charisma vermitteln. Unmöglich.

Auch ohne Empathie ist es schwer, charismatisch zu wirken. Es gibt zwar ein paar Gegenbeispiele: Trump oder Hitler etwa. Die haben auch eine charismatische Ausstrahlung, doch das basiert auf ganz anderen Dingen.

Aber Empathie ist das Prinzip für charismatische Menschen, damit sie andere Menschen um sich scharen können. Und ich wünsche mir mehr empathische Charismatiker.

Stärke hat viel mit Selbstvertrauen zu tun und da frage ich mich: Was ist das Huhn und was das Ei? Muss man selbstbewusst sein, um charismatisch zu wirken? Oder ist Charisma eine Voraussetzung, um selbstbewusst zu werden?

Es gibt so einen schönen Spruch: „Fake it till you make it“. Da ist was dran. Wenn ich bestimmte Verhaltensweisen einübe, dann überträgt sich das und wird normal. Das kann ein bisschen dauern. Aber es hilft enorm dabei, sein eigenes Charisma zu entwickeln.

Du musst dich so zeigen, wie du wahrgenommen werden willst. Gehen lassen, kann man sich zu Hause auf dem Sofa, aber nicht in der Öffentlichkeit.

Wie machst du das dann in deinen Trainings? Was machst du mit den Menschen, damit sie all diese Dinge lernen?

Es gibt wunderbare Übungen. Zum Beispiel: einen sehr emotionalen Text ganz langweilig zu sprechen. Weil man dadurch selbst merkt, was der Unterschied ist. Man muss trainieren, die eigene Range zu erweitern. Denn das Entscheidende für ein charismatisches Sprechen ist, dass man Variationen und Dynamik hat und nicht monoton spricht.

Das ist aber auch ein bisschen Schauspielerei.

Ja, aber nicht in dem Sinne, dass man einen Charakter verkörpert. Es muss aus dem Inneren herauskommen.

Ich spiele mich selbst, quasi? Ich spiele ein besseres Ich?

Ich zeige anderen Menschen etwas aus meinem Inneren. Ich öffne mein eigenes Buch. Das überzeugt Menschen.

Auftreten hat aber auch etwas zu tun mit dem äußeren Erscheinungsbild, mit der Kleidung. Ein eigener Stil ist natürlich wichtig. Aber inwieweit sollte man seinem eigenen Stil folgen und wann sich doch besser dem Anlass entsprechend kleiden?

Also ich rate immer: Zieh dich so an, wie du wahrgenommen werden willst. Ein Beispiel ist Angela Merkel, unsere ehemalige Bundeskanzlerin. Die hat sich lange nicht beraten lassen, sondern wollte so sein, wie sie ist, mit ihrer Frisur und ihrer Kleidung. Sie wollte authentisch sein. Das ist auch richtig. Aber so wäre sie nie Bundeskanzlerin geworden.

Erst als sie sich eine Frisur hat machen lassen, die massentauglich war, und sich die Kostüme hat verpassen lassen, die sie immer getragen hat, da war sie massentauglich und konnte von sehr vielen gewählt werden.

Also: Wenn ich das Ziel habe, von vielen gewählt zu werden, dann sollte ich mich auch einem allgemein üblichen Geschmack anpassen. Wenn ich meine Individualität bewahren möchte, ist das aller Ehren wert, aber dann bin ich eben nur Special Interest.

Dennoch: Zieh dich so an, wie du willst, wie du dich schön findest, dann ist es immer am besten. Und es darf nichts kneifen. Du musst dich wohlfühlen in deiner Haut, denn man sieht, ob sich jemand wohlfühlt oder nicht.

Caroline von der Marwitz, Geschäftsführerin, hbw Haus der Bayerischen Wirtschaft, Leiterin Digitale Dienste, Unternehmenskommunikation

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Caroline von der Marwitz
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mbw Podcast

Janina Singer im Gespräch mit Michael Harles

So bekomme ich Charisma – die wichtigsten Tipps von Michael Harles

Das Thema Charisma-Building ist sehr umfangreich und erfordert Training und Zeit. Aber Michael Harles hat uns, als Vorgeschmack auf sein Training, ein paar wichtige Tipps verraten:

  • Lernen Sie dynamisch und emotional sprechen.
  • Verwenden Sie Ich-Botschaften, das macht glaubwürdiger. Also nicht von „wir“ oder „man“ sprechen.
  • Bereiten Sie sich gut vor, damit Sie nicht nervös werden.
  • Machen Sie Atemtraining, das macht ruhig.
  • Schauen Sie die Menschen an. Schau Sie ihnen in die Augen. Dann sehen Sie, ob Sie ankommen oder nicht. Wenn nicht: Ändern Sie Ihren Sprechstil und Ihr Verhalten.
  • Und das Wichtigste: Machen Sie Pausen.
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